Ein Auszug aus der Festschrift des 50 jährigen Jubiläums

Biblischer und historischer Hintergrund der Bläserarbeit

Blasinstrumente im alten Testament

Blechblasinstrumente wurden schon in alter Zeit verwandt. 1922 wurden zwei Signaltrompeten im Grabe von Pharao Tutanchamun (um 1350 v. Chr.) gefunden. In der Bibel fanden sich schon früh Hinweise - bereits verbunden mit einer "Gebrauchsanweisung" - im 4. Buch Moses 10, Vers 1 - 10:

"Der Herr sprach zu Moses: Mache dir zwei Trompeten von getriebenem Silber (chazozerah) und gebrauche sie, um die Gemeinde zusammenzurufen und wenn das Heer aufbrechen soll . . . Es sollen aber blasen die Söhne Aarons, die Priester . . . Wenn ihr in den Krieg zieht in euerem Lande gegen die Feinde, so sollt ihr laut trompeten . . . Desgleichen, wenn ihr fröhlich seid an eueren Festen und an eueren Neumonden sollt ihr mit den Trompeten blasen bei eueren Brandopfern und Dankopfern, damit euer Gott an euch denke. Ich bin der Herr, euer Gott."

Somit war der Auftrag recht klar festgelegt: die Priester sollten blasen

  • als Signal zur Ordnung der Gemeinde
  • bei geistlichen und weltlichen Anlässen
  • bei kriegerischen Anlässen und
  • als Musik bei freudigen Festen.

Somit waren die Trompeten ein geheiligtes Instrument, von Gott gegeben, aber durchaus auch weltlich einzusetzen. Ein anderes Blasinstrument war das Widderhorn, das gezogen und ähnlich geblasen wurde (Schofar), auch heute noch im Judentum an Festen. Dies war das Instrument, das geblasen wurde bei der Einnahme von Jericho (Josua 6, Vers 4 + 5), wo beim Klang der Hörner (von Luther irrtümlicherweise übersetzt als Posaunen) die Mauern von Jericho einstürzten: der Beschreibung nach muss der Lärm, verbunden mit Kriegsgeschrei, wohl gewaltig gewesen sein.

Die Bläserkunst im Mittelalter

In der griechischen Zeit (salpinx) und in der Römerzeit (tuba) waren Signaltrompeten weiter im Einsatz, die wie die heutigen Naturtrompeten oder Fanfaren nur Naturtöne hervorbrachten, auf denen also keine Tonleitern gespielt werden konnten. Aus der Entwicklung von Zugtrompeten, bei denen über einen beweglichen Zug die Tonhöhe verändert wurde, entstand Ende des 15. Jahrhunderts die Posaune, die jedoch tiefer gestimmt ist. Dies bewog wohl Luther zu der übersetzung mit "Posaune", was aber weder der Chazozerah noch dem Schofar entspricht, ein ( wie der bekannte Trompeter und Musikforscher Edward Tarr sagt ) "im deutschen Sprachgebrauch nicht wieder gutzumachender Irrtum". In der Tat ist die Übersetzung im Englischen "trumpet": Der Posaunenengel ist also ein Trompetenengel. Im heutigen "Posaunenchor" spielen selbstverständlich alle Blechblasinstrumente, also Trompeten, Hörner, Posaunen und Tuba. Im Mittelalter und Barock bestand eine sehr hohe Kunst der Blechbläser, insbesondere in hohen, also schwierigen Lagen (Clarinblasen). Trompeten durften als besonders edle Instrumente zeitenweise nur an Königshöfen, Bischofssitzen und in besonderen selbständigen Städten geblasen werden, bei feierlichen Anlässen, als Turmbläserei und bei anderen Gelegenheiten. Die Trompetenkompositionen von Bach, Telemann, Josef und Michael Haydn zählen auch heute noch zu der äußerst anspruchsvollen Literatur. Mit der Aufklärung kam der Niedergang der Zünfte und damit auch Ende des 18. Jahrhunderts der hohen Kunst des Trompetenblasens gerade in der Clarinlage. Über fast zwei Jahrhunderte war kaum jemand in der Lage, die o.g. Kompositionen zu spielen.

Die Anfänge der heutigen Bläserarbeit

Die Entwicklung der Ventile ab 1815 ermöglichte dann das Spielen von Tonleitern auch in der niedrigen, leichter zu spielenden Tonhöhe und damit auch die Möglichkeit für nicht so intensiv ausgebildete Laien.

Auch wenn es einige wenige kirchliche Bläsergruppen vorher gab (Herrenhut, Merklingen und einige andere Orte), so ist der Aufschwung verbunden mit dem Namen von Johannes Kuhlo (1856 - 1941), der im Westfälischen wirkte ("der Posaunengeneral"). In Württemberg verdanken wir viel dem unermüdlichen Einsatz von Hermann Mühleisen, der von 1929 bis 1968 Landesposaunenwart war und auf dessen Arbeit Wilhelm Mergenthaler (1969 - 1984) und Erhard Frieß seit 1985 aufbauten.

Hermann Mühleisen war der Dirigent des Wolfschlüger Posaunenchors an Karl Thumms Hochzeit im Jahr 1957. Mit fast 20.000 Bläsern in 750 Chören ist Württemberg der größte Verband in Deutschland. Ein Höhepunkt ist der alle zwei Jahre stattfindende Landesposaunentag in Ulm mit 9000 Bläsern an der Schlusskundgebung auf dem Münsterplatz, ein bleibendes Erlebnis für jeden Teilnehmer, das zurecht Eingang in das Guiness-Buch der Rekorde fand als "größtes Blasorchester der Welt".

Aufgaben der Bläserarbeit

Wesentliche Aufgaben sind (man ist oft erstaunt, wie es sich lohnt, die Bibel zu lesen) schon im alten Testament vorgegeben, im 4. Buch Mose 10, Vers 1 - 10 (siehe auch 1. Abschnitt).

  1. Eine gewisse Signalwirkung haben Bläser aufgrund der Lautstärke und der blitzenden Instrumente auch in Zeiten einer Vielfalt anderer Kommunikationsformen, wo immer sie auftreten. Es gilt, sie richtig einzusetzen.
  2. Die musikalische Begleitung und Mitgestaltung von kirchlichen (und auch weltlichen) Ereignissen in Freude und Leid und damit auch die Verkündigung war und ist wesentlichste Aufgabe.
  3. Die Begleitung "kriegerischer Ereignisse" ist es glücklicherweise nicht mehr, wenn auch ein Posaunenchor wie jede Blechbläsergruppe gelegentlich recht martialisch klingen kann.
  4. Auch die Begleitung von freudigen Festen (Vers 10) darf Aufgabe und Ziel sein; das meint die Freude an der Musik (geistlich und weltlich) und vor allem auch die Weitergabe dieser Freude an andere: Vieles wird über die Musik anders und intensiver dargebracht und auch aufgenommen. Dies gilt im gleichen Maße für die Pflege und Wiederaufnahme alter Musik als auch für neue Musikformen, wie z.B. Swing und Jazz, die ja oftmals einen geistlichen Hintergrund haben und damit durchaus auch ihren Platz im Gottesdienst, z.B. Spirituals.

Besonderheiten der kirchlichen Bläserarbeit

Eine Eigenart der Bläserarbeit ist sicher die Zusammensetzung der Chöre: sie bezieht alle Generationen mit ein (in Wolfschlugen von 10 - 69 Jahren) einschließlich Jugendarbeit, alle Berufsgruppen, Frauen und Männer, die unterschiedlichsten Lebensformen und auch Geisteshaltungen in der Kirche, unterschiedliche Begabung und Musikalität. Dissonanzen (gewollt oder ungewollt) sind gerade bei Blechinstrumenten besonders eindringlich. Es ist aber die Besonderheit im Vergleich zu anderen kirchlichen Gruppen, dass man sich bei allen Unterschieden im Sinne des gemeinsamen Ziels auf Wohlklang einigen muss, auch wenn dies manchmal schwerfällt: Die oft "recht widerspenstigen Instrumente" zeigen jedem einzelnen auch immer wieder seine Grenzen auf, sei es beim Anfänger, beim Fortgeschrittenen oder beim hervorragenden Sopranbläser bei einer Oberstimme. Man spricht aufgrund dieser Zusammensetzung auch oft von der "Bläserfamilie" oder Posaunenchorfamilie. Vieles ist richtig daran, was auch dadurch unterstrichen wird, dass man als Bläser per Du miteinander umgeht. Anders (auch anders als in einer Familie) gilt jedoch, dass es keine vorgegebene Altershierarchie gibt: Der oder die 17-jährige ist so wichtig wie der 60-jährige. Ein schönes Beispiel gibt der Wolfschlüger Chor: Es war und ist kein Problem, dass der Sohn mit anfangs 20 (Joschi Lorenz) jetzt seit zwei Jahren seine Eltern (Gabi und Wolfgang Lorenz), dirigiert und sie sich auch von ihm dirigieren und etwas sagen lassen (müssen?). Die inzwischen über 40 Bläser sind froh, dass der junge Dirigent die Übernahme dieses Amtes auch an eine Bedingung geknüpft hat: "dass der ausscheidende Dirigent Karl Thumm als Bläser weitermacht". Aufgrund des biblischen Hintergrundes und einer 50-jährigen Tradition und Entwicklung eines Posaunenchores ist somit manches in der Bläserarbeit vorgegeben. Wir wollen mit unserer Musik und dem Einsatz zum 50-jährigen Jubiläum Verkündigung in diesem Sinne darstellen (in der sinnvollen Verbindung von alter und neuer Musik) und hoffen, dass wir die Freude daran auch an die Gemeinde weitergeben können. (ES)